In diesem Blogbeitrag möchte ich auf drei Methoden eingehen, die für Mentorinnen und Mentoren im Migrations- und Fluchtbereich hilfreich sein können. Ich werde auf die Themen aktives Zuhören, konstruktives Feedback geben und von anderen Mentoren lernen eingehen.
Erster Tipp: Aktives Zuhören
Der erste Tipp ist das aktive Zuhören. Besonders in der Anfangsphase eines Mentorings kann diese Methode nützlich sein. Beim aktiven Zuhören geht es darum, die Mentee besser kennenzulernen und ihre Sichtweise über ihre Situation in Erfahrung zu bringen. Nehmen wir mal an, Lisa und Dunja haben sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam Deutsch Konversation zu üben. Als neue Mentorin ist Lisa aufgeregt und möchte sofort am Thema anpacken, damit beide schon bald erste Erfolge erzielen können. Sie hat nun zwei Möglichkeiten beim ersten Treffen:
- «Hier ist der perfekte Plan»: Sie kann nach einem kurzen Kennenlerngespräch Dunja vorschlagen, was sie alles in den nächsten Monaten zusammen machen können, damit Dunja schnell lernen und gut vorwärtskommen kann. Lisa wendet hier das aktive Zuhören nicht an.
- «Was möchtest du genau erreichen? Wie kann ich dich dabei unterstützen?»: Hier kommt das aktive Zuhören zum Einsatz. Lisa stellt Dunja gezielte Fragen im Zusammenhang mit dem Deutschlernen. Auf diese Weise hat Dunja die Möglichkeit, bereits zu Beginn ihre Interessen, aber auch Stärken und Schwächen in Bezug auf die Deutsch Konversation zu äussern. Und Lisa kann sich anhand dieser Informationen mögliche Übungen und Aktivitäten überlegen. Wenn Dunja bereits viele Ideen hat, können sie auch gemeinsam über neue Übungen nachdenken.
Die erste Herangehensweise mag für ein erstes Mentoring für Lisa einfacher erscheinen. Es mag sein, dass Dunja sich bei diesem Vorgehen wohlfühlt und rasch Fortschritte macht. Es kann aber auch sein, dass sich Dunja unwohl fühlt, weil sie sich eine Gesprächspartnerin gewünscht hat, mit der sie in einem lockeren Setting über verschiedene Themen des alltäglichen Lebens sprechen wollte. Aber vielleicht traut sie sich nicht, ihr Bedürfnis zu äussern, denn schliesslich weiss sie, dass Lisa ihr freiwillig helfen möchte. Und Dunja möchte nicht unhöflich sein.
Die zweite Vorgehensweise kann im ersten Moment für wenig erfahrene Freiwillige etwas abschreckend wirken. Ungeduldige denken vielleicht, dass das gegenseitige Kennenlernen von selbst und mit der Zeit kommt. Das mag in vielen Fällen zutreffen, muss aber nicht. Der Vorteil der zweiten Methode ist, dass der Leistungsdruck von beiden Seiten dadurch etwas gelockert werden kann. Denn lernen ist nicht gleich lernen. Wer mit Spass lernt, kann sich das Erlernte viel besser merken.
Zweiter Tipp: Konstruktives Feedback geben
Je nach Tandem-Konstellation kann es einfach oder aber herausfordernd sein, konstruktives Feedback zu geben. Wenn der Mentee Denayt beispielsweise auf Anfängerniveau Deutsch spricht, dann kann der Mentor Sebastian weniger gut auf sein Fingerspitzengefühl vertrauen, wenn er konstruktives Feedback geben möchte. In solchen Fällen ist es ratsam, dass sich Sebastian im Vorfeld auf das Gespräch vorbereitet. Er kann dies tun, indem er die Formulierung des Feedbacks aufschreibt und übt. Dabei ist es ratsam, sich an folgende Punkte zu halten:
- Einführend sollte Sebastian kurz erklären, dass er ein konstruktives Feedback geben möchte zu einer Situation, die er beobachtet hat.
- Auf die Reaktion von Denayt warten. Wenn er kein Feedback hören möchte, dann ist es ratsam, eine andere Gelegenheit dafür zu suchen.
- Die Situation beschreiben, in der das Ereignis stattgefunden hat und anschliessend schildern, wie er (Sebastian) darauf reagiert hat (vielleicht war es ihm unangenehm). Und dann auch erklären, wieso diese Handlung/Äusserung unangenehm gewesen ist für Sebastian. Wenn möglich sollte hier auf eine Wertung verzichtet werden.
- Auf eine einfach verständliche Wortwahl achten und nachfragen, ob sein Gegenüber ihn versteht.
- Wie Denayt mit diesem konstruktiven Feedback umgehen wird, ist seine eigene freie Entscheidung. Etwas erzwingen zu wollen wäre nicht angemessen und könnte die Tandembeziehung gefährden. Beispielsweise wäre eine Androhung von Konsequenzen nicht angemessen. Ein Mentoring baut auf gegenseitiger Freiwilligkeit auf. Und Denayt mag zwar noch nicht lange in der Schweiz leben, aber er ist eine erwachsene Person.
- Besser kurz und prägnant als zu lange: Die Feedback-Situation kann unangenehm sein und ein unerwünschtes Machtgefälle verursachen. Bei fokusnetzwerk orientieren wir uns auf einer gleichgestellten Mentor–Mentee-Beziehung. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen engagieren sich die Mentorinnen und Mentoren als Freiwillige und bringen ihre eigenen Ressourcen mit, die sehr vielfältig sein können. Zum anderen geht es darum, dass die Mentees von Anfang an aktiv mitwirken und selbst am Mentoring-Thema arbeiten, und nicht darauf warten, was ihnen die Mentoren vorbereiten.
Dritter Tipp: Von anderen Mentoren lernen
Der dritte Tipp ist wahrscheinlich etwas einfacher zu verstehen als die zuvor beschriebenen Tipps. In einem Fall kann bereits ein Gespräch mit einer erfahrenen Mentorin wahre Wunder bewirken, in einem anderen vielleicht auch nicht. Aus meiner persönlichen Erfahrung ist es oft so, dass die Vorbereitung auf ein wichtiges Gespräch entscheidend ist. Stellen wir uns vor, der Mentor Emanuel begleitet zum ersten Mal eine Mentee und hat viele Fragen. Er vereinbart ein Gespräch mit der Mentorin Malva, die bereits viele Mentees begleitet hat. Er weiss, dass Malva vielbeschäftigt ist und sich etwa 15 bis 30 Minuten Zeit nehmen kann. Daher überlegt er sich vorgängig, welches seine drei wichtigsten Fragen sind, über die er sprechen möchte. Eine Frage kann zum Beispiel ein Aspekt sein, den er herausfordernd findet in seiner Rolle als Mentor. Auf diese Weise werden Malva und Emanuel ihr Gespräch effizient nutzen können. Wenn Emanuel sich gar nicht vorbereitet, kann es sein, dass Malva ihm nur eine oder zwei Fragen beantworten kann, weil sie zuerst im Gespräch herausfinden müssen, was genau die Schwierigkeit ist für Emanuel.
Abschliessend kann man sagen, dass ein Mentoring im Migrations- und Fluchtbereich viel Lernpotential bietet, sowohl für Mentees, als auch für Mentorinnen. Und dadurch, dass jedes Tandem einzigartig ist, können Mentoren immer wieder etwas Neues lernen.
Zu guter Letzt möchte ich alle Interessierten ermutigen, ein freiwilliges Mentoring in Betracht zu ziehen. Denn als Mentorin musst du nicht Expertin sein in einem Fachgebiet und viele Sprachen beherrschen. Wenn du fliessend Deutsch sprichst oder Deutsch deine Muttersprache ist, dann kannst du dich für ein Infogespräch bei uns anmelden.
Allgemeine Informationen zum Blogbeitrag
- Es gäbe noch zahlreiche weitere Tipps, die hier nicht erwähnt werden. Ich gehe auf drei spannende Methoden ein, hüte mich aber davor, sie als die wichtigsten drei zu bezeichnen. Jede Tandemsituation ist einzigartig: Es gibt keine Zauberformel, die immer und in jedem Fall funktioniert.
- Die Reihenfolge der Tipps ist nicht als Priorisierung gemeint.
- Die grundlegenden Informationen für ein erfolgreiches Mentoring übermitteln wir in persönlichen Gesprächen. Darum möchte ich in den folgenden Zeilen drei ergänzende Tipps erläutern, die wir in den Gesprächen entweder nur kurz antönen oder nicht erwähnen.
- Die Mentorinnen und Mentoren bei unserem Tandemprogramm fokusnetzwerk sind Freiwillige aus der Bevölkerung.
- Die Beispiele, die ich beschreibe, sind fiktiv und sollen das Lesen erleichtern.
Linkedin Advice: How do you choose best mentoring style? https://www.linkedin.com/advice/1/how-do-you-choose-best-mentoring-style-your-mentee-skills-mentoring
Mentoring Complete: 5 useful tips for a first time mentor. https://www.mentoringcomplete.com/5-useful-tips-for-a-first-time-mentor/
Gutes Feedback – Was ist das? https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Feedback.shtml