You are currently viewing Facts über Afghanistan und die Türkei: Binnenflucht oder Internationale Flucht?

Facts über Afghanistan und die Türkei: Binnenflucht oder Internationale Flucht?

Wie viele Menschen müssen ihre Heimat verlassen? Und wohin gehen sie? Wie viele von ihnen flüchten in die Schweiz? Wir möchten die Länder Afghanistan und die Türkei beispielhaft anschauen und zeigen, wie viele Menschen aus diesen Ländern wohin fliehen.
Zunächst aber eine Allgemeine Übersicht:

Von 2000 bis Ende 2022 waren 108.4 Mio. Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen. Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der verschiedenen rechtlichen Kategorien der Menschen auf der Flucht von 2000 bis Ende 2022. Deutlich ist zu sehen, dass der grösste Teil innerhalb des eigenen Landes flieht (Binnenflucht). Nur 32% erhalten den Status der geflüchteten Person (nach Genfer Flüchtlingskonvention 1951), weitere 5% sind als Asylsuchende kategorisiert(UNHCR, 2023).

Eigene Darstellung. Quelle: (UNHCR, 2023).

Von den 32% der Menschen, die den Status der geflüchteten Person bekommen haben, wurden 70% in ihrem Nachbarland aufgenommen und 76% in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen (der Bevölkerung). Nur 17% wurden in Industrieländern wie die USA und vielen europäischen Ländern aufgenommen. 2022 wurden die meisten Geflüchteten in den Ländern Türkei, Iran und Kolumbien aufgenommen. Darauf folgen Deutschland, Pakistan und Uganda.

Die untere Abbildung zeigt die Herkunfts- und Zieldestinationen von Geflüchteten. Hier ist wichtig zu erwähnen, dass die Türkei zu Europa mitgezählt wird.

https://www.unhcr.org/global-trends-report-2022

Um zu veranschaulichen, wie viele Menschen innerhalb ihres Landes und über die Grenze fliegen, möchten wir uns die Beispiele von Afghanistan und der Türkei anschauen.

Afghanistan

Afghanistan ist seit mehreren Jahrzehnten geprägt von Instabilität, Konflikten und Menschenrechtsverletzungen. Seit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 hat sich die Lage für viele Menschen stark verschärft. Vor allem für Frauen und Mädchen werden die Menschenrechte massiv eingeschränkt.  Zusätzlich ist Afghanistan geprägt von Dürreperioden, die durch den Klimawandel verstärkt werden (Flüchtlingshilfe 2023).

Die Bevölkerungszahl Afghanistans liegt bei 39-40 Mio. Ende 2022 lebten schätzungsweise insgesamt 4,4 Mio. Menschen aus Afghanistan als Binnenvertriebene. Weltweit gehörte Afghanistan daher zu dem Land mit den meisten Binnenvertriebenen aufgrund von Katastrophen (Dürre, Überschwemmungen) und war auf Platz vier aufgrund von Konflikten und Gewalt (IDMC, 2022). Weltweit gibt es bis heute circa 5.7 Mio. registrierte Geflüchtete aus Afghanistan. Iran und Pakistan beherbergt ca. 90% davon (UN, 2023). In der Schweiz befanden sich (Stand 07.2023) 17.056 Menschen aus Afghanistan im Asylprozess (Statista, 2023). Die Schutzquote (Asylgewährung + vorläufig aufgenommen) liegt derzeit bei 72.8%, die Asylgewährung nur bei 12.4%. Laut der Schweizer Flüchtlingshilfe wurden die verbleibenden Asylgesuche zumeist mit einem Dublin-Nichteintretensentscheid entschieden. Das bedeutet, dass ein anderer Staat im Schengen-Dublin-Raum für das Gesuch zuständig ist (Flüchtlingshilfe, 2022). Seit September 2023 wurde das Asylverfahren speziell für Frauen und Mädchen aus Afghanistan erleichtert und sie werden nun als Geflüchtete anerkannt. Diese Änderung fand bisher in mehreren europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden und Finnland (SEM, 2023).

Türkei

Seit 2014 beherbergt die Türkei die größte Zahl von Geflüchteten unter dem Mandat des UNHCR. Jedoch gibt es auch Fluchtbewegungen innerhalb des Landes. Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 hat sich die Menschenrechtssituation in der Türkei stark verschlechtert. Es werden immer mehr Menschen inhaftiert und der Konflikt zwischen der Türkei und der kurdisch nationalistischen Bewegung hat sich räumlich nach Syrien und den Nordirak verlagert (Turkoglu, 2023). Die Bevölkerungszahl der Türkei liegt bei 85,8 Mio. Laut dem IDMC gab es Ende 2022 1.1 Mio. Binnenvertriebene in dem Land. Damit steht die Türkei in Europa auf Platz zwei hinter der Ukraine. Zusätzlich wurden 11.000 Menschen gezählt, die durch Umweltkatastrophen fliehen mussten. Diese Zahl schliesst die Betroffenen des Erdbebens 2023 nicht mit ein. Die Zahl der Menschen, die über die Grenze fliehen, ist weniger hoch. Es wird geschätzt, dass bis heute über 200.000 Menschen aus der Türkei geflohen sind (UNHCR 2020). Allein 2019 flohen 180.000 syrische Kurden und Kurdinnen nach einem Angriff der türkischen Regierung (VOA, 2019).

In der Schweiz befanden sich Stand Juli 2023 5.996 Menschen aus der Türkei im Asylprozess (Statista, 2023). Die Schutzquote liegt demnach bei 76.3% (Flüchtlingshilfe, 2023).


Aus den Zahlen lässt sich lesen, dass der Grossteil der Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, innerhalb des Heimatlandes fliehen oder in benachbarten Ländern Schutz suchen. Von den Menschen, die es über die Grenze schaffen, kommt nur ein geringer Teil nach Europa (17%). Es ist wichtig diesen Fakt im Hinterkopf zu behalten und das Bild der «unkontrollierbaren Fluchtstöme», wie es oft in den Nachrichten dargestellt wird, kritisch zu betrachten. 

Wir finden es wichtig, dass dieser geringe Anteil, der seine Existenz für ein besseres Leben riskiert, Chancen und Möglichkeiten in den Zielländern bekommt. fokusnetzwerk setzt sich daher für die soziale, berufliche und sprachliche Integration von Geflüchteten ein. So können die Menschen, die den weiten Weg bis zu uns geschafft haben, sich ein neues Leben aufbauen, um ihren Beitrag zu einem guten Zusammenleben in unserer Gesellschaft leisten zu können.


Schreibe einen Kommentar